Westweg

Der Westweg ist ein ca. 280 km langer Höhenweg durch den Schwarzwald, 8000 hm warten auf die Gehenden, von Pforzheim nach Basel. Wir entscheiden uns für die Westvariante in 12 Etappen.
Mein Reisebericht aus 2021, viel Spaß beim Lesen!

Inhalt

“Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße”

Dieser Satz von Martin Walser am Ende seines Schriftstücks zum Thema Mut beschäftigt mich bereits eine Weile.

Ich mag Stillstand nicht, inne halten und ruhen fällt mir schwer und ich suche immer wieder nach Möglichkeiten “zu entspannen” – auf meine Art.

So kam mir kurzfristig bei einer kleinen Wanderung im Schönbuch die vielleicht verrückte Idee den Westweg im Urlaub zu laufen. Beim Laufen kommen mir eigentlich die besten Ideen. Der Camper war under maintenance, Slowenien stand aufgrund Werkstatttermin in der Woche vor Urlaubsbeginn auf der Kippe. Plan B also. Und der beste Ehemann sagt an diesem Sonntag einfach „ja ok”.

Der Westweg


Warum der Westweg?

Der Westweg ist ein ca. 280 km langer Höhenweg durch den Schwarzwald, 8000 hm warten auf die Gehenden, von Pforzheim nach Basel. Wir entscheiden uns für die Westvariante in 12 Etappen.

Ich bin im Jahr 2010 dank 2 tollen Kollegen meine 2 ersten (und 2 letzten Halbmarathons) gelaufen. Mein erster 20km Trainingsversuch führte mich damals nach Pforzheim an den Kupferhammer – dort befindet sich auch die Goldene Pforte, Startpunkt des WESTWEGs…. Und ich dachte mir damals nur “wie krass muss das sein, einfach von Pforzheim nach Basel zu laufen”. Denn mit Basel verbindet mich viel – der langjährige Kunde am Badischen Bahnhof Basel, die vielen Kolleg*innen in der Schweiz (auf ein Wiedersehen im September ihr Lieben), die Teilzeit Wohnung in Basel – es sind gute Erinnerungen, es sind Kontakte, die sich auch über die Jahre halten.

Warum noch? Ich liebe Urlaub mit dem Camper, Corona hat mir allerdings ein wenig den Spaß verdorben am Womo Reisen. Doch uns geht es gut, wir haben feste Jobs, unsere Arbeitgeber sind sicher durch die Krise gekommen. Corona hat allerdings auch im Schwarzwald viele Existenzen gefährdet- warum dann nicht Geld in der Heimatregion ausgeben? Na und ganz nebenbei zählt der Westweg noch zu einem der schönsten Wanderwege Deutschlands.

Vorbereitungen


Nachdem der Entschluss also gefasst war, habe ich mich an den 2 darauffolgenden Abenden an die Hotelreservierungen gemacht. Also Etappenziele rausgesucht, Daten notiert , fleißig Mails geschrieben. Wir haben uns aktiv gegen einen organisierte Reise mit Gepäcktransport entschieden. Etappen und Tipps zu Unterkünften habe ich dem offiziellen Guide sowie mieserweise den einschlägigen Reiseanbietern entnommen. Die Hotelinfos werde ich am Ende der Reise in diesem Beitrag zusammenstellen, ebenso Packtipps usw.

Soweit so gut. Alle Hotels haben binnen einem Tag reagiert, einmal musste ich umdisponieren. Und wie ist das so mit körperlicher Fitness für eine Fernwanderreise? Das erklärt dieser Artikel von bunterwegs sehr gut. Wir sind in diesem Fall dank Corona ca. 5 Tage die Woche im Training, hier wird Kraft trainiert und Ausdauer mittels Joggen. Meine Schwierigkeiten mit Achilles rechts und links entgegne ich mit Dehnung und Kräftigung, die Vorwölbungen der Hals- und Lendenwirbelsäule mit Planks und Rückenkrafttraining. Also ich denke körperlich ist die Ausgangslage gut. Ob die Füße mich und den 10 KG schweren Rucksack wirklich über 12 Etappen im Schnitt 22 km am Tag tragen wollen werden wir dann sehen.

Equipment musste keines angeschafft werden (außer 500 Blasenpflaster), wir sind bekennende Tech Wear Anfällige.

Etappe 1 – Pforzheim nach Dobel – 23.8.2021


25 km • 7 Std • 692 m Aufstieg • 249 m Abstieg

Meine Eltern hüten dankenswerterweise Haus und die 3 Kater. Wir starten um 8:30 Uhr in Weil der Stadt, Vater fährt uns an den Kupferhammer… und es fängt an zu regnen, nicht nur ein bisschen, sondern so richtig. Unter widrigen Wetterbedingungen starten wir unsere Fernwanderreise. Es gewittert, es ist neblig. Wir sind gut gelaunt. Freuen uns, dass wir das jetzt einfach machen. Das Wort “widrig” wird mein Wort des Tages.

Goldene Pforte Pforzheim

Der Enzsteig ist wunderschön – wir wundern uns, warum wir hier noch nie waren. Der Schlossgarten des neuen Schloss Neuenbürg würde zum Verweilen einladen – würde es nicht regnen. Neuenbürg ist ein pittoresker Ort, doch heute ist Sonntag und es scheint als wären alle ausgeflogen oder sie liegen auf der Couch und schauen fern – während wir fern wandern. Doch eine nette junge Frau oben im Neubaugebiet dreht mit ihrem roten VW Bus nochmal um, lässt die Scheibe runter. Sie fährt Kuchen für Ihre Familie holen, ob sie uns bei dem Sauwetter nicht mitnehmen soll. Wir freuen uns über diesen mitmenschlichen Akt, lehnen dankend ab. Wir glauben fest daran, dass wir dem Wetter trotzen müssen.

An der Schwanner Warte machen wir eine kleine Pause und wir werden überrascht von der Open Space Bibliothek. Um uns ein wenig die Zeit zu vertreiben während es weiter schüttet, erzählen wir uns eine Geschichte aus den Buchtiteln – den Quatsch erspare ich euch. Mittlerweile dringt Wasser durch die Spitze meines rechten Schuhs. Links bleibt trocken. Eindringliches Wasser scheint die Story of my life zu werden. Hier ein Reminder an mein Nach-Urlaubs-Ich: Schuhe reklamieren!

Irgendwann endlich der Einmarsch nach Dobel, “dauerhaft geschlossen” steht an vielen Geschäften. Der Ort heute vom Regen und vermutlich von Schicksalen getränkt. Das Hotel Rössle ist unsere Unterkunft für die Nacht, eine warme Küche bietet man nicht mehr an, Restaurants haben alle geschlossen. Wir bekommen trotzdem besten TK Flammkuchen (der war wirklich lecker – no sarcasm) von der Inhaberin in der freakiest bar on earth serviert. Ein besonderer Ort, mit viel Liebe zum Detail geführt, ein Inneres, das das Äußere nicht vermuten lässt.

Wir fallen müde ins Bett. Wie morgen wohl wird?

Etappe 2 – Dobel nach Forbach – 24.8.2021

26,3 km • 7,5 Std • 547 m Aufstieg • 971 m Abstieg

Wenn ich nach so einer langen Wanderung morgens aufstehe tun sich Rücken und Füße immer schwer. Das ist auch an diesem Morgen so, aber nicht schlimmer als sonst und das lässt hoffen. Muskulär ist soweit alles im Lot. Die wenigen Druckstellen vom Rucksack werden mit Hirschtalg versorgt.

Der Weg startet mit der Bekanntmachung, dass der Westweg Teil des E1 ist – der europäische Wanderweg vom Nordkap nach Sizilien, Bänke in den Farben der Gründungsmitglieder säumen den Weg.

Die Etappe nach Forbach war für uns vor allem durch den Nebel einprägsam, immer wieder neue mystische Eindrücke des dunklen Nadelwaldes – und ich finde, dass der Nebel den Wald gut kleidet. Wir begegnen kaum Menschen, nur ab und an mal ein wanderndes Paar. Die angepriesenen prächtigen Aussichten bleiben aus, doch das stört uns nicht, wir kennen einige Ecken in dieser Region, ist ja fast noch zu Hause. Nach dem wir Kaltenbronn hinter uns lassen und steil aufsteigen finden sich auch endlich Heidelbeeren, und Menschen die Heidelbeeren pflücken. Ein nettes Gespräch mit einer Dame, die uns fragt, ob wir den Westweg gehen. Ihre Hände sind heidelbeerblau. Wir bejahen, sie erzählt fröhlich, dass sie mit Freunden auch gerade erst den halben Weg durchwandert haben und bestaunt unser Bestreben den ganzen Weg zu bewältigen. Vor den letzen Kilometern nach Forbach regnet es wieder, wir suchen Schutz an einer der vielen Schutzhütten, auch um mal wieder den Rollsplit aus den Schuhen zu schütteln. Hier treffen wir auf drei fröhliche Schwarzwald Oberschlesier (also aus meiner Hood). Wir lauschen der sportlichen Dame von Ihrem Westweg Zelt Abenteuer, auch blutige Blasen hielten sie nicht auf. Und Ihrer Trekking Reise in Patagonien bei unwirtlichen Wetterbedingungen und der Mitläuferin aus Japan, die sich auf dem ausgesetzten Pfad an einem Stein festhalten musste, um nicht weggeweht zu werden. Wir amüsieren uns hervorragend unter dem kleinen Vordach.

Ich hoffe auf noch viele solcher Begegnungen in den nächsten Tagen. Ich genieße die Stille, das meditative Gehen, das Aufschrecken und Feststellen, dass da gerade eine Etappe völliger Gedankenlosigkeit hinter mir liegt, aber ich mag Menschen, die gerne Zeit draußen verbringen und uns an Ihren Erlebnissen teilhaben lassen.

In Forbach mussten dringend Saftbären und Rittersport beschafft werden. Das haben wir doch glatt beim Rucksack packen vergessen. Die Unterkunft Hotel am Mühlbach begrüßt uns warmherzig, mit leckeren hausgemachten Abendessen und bestem Service. Hier steckt Herzblut drin. Das Motto der Inhaber:

DAS LEBEN IST ZU KURZ, UM DRINNEN ZU BLEIBEN.
KOMMEN SIE ZU UNS UND GEHEN SIE RAUS.

Etappe 3 – Forbach nach Unterstmatt – 25.8.2021

19,6 km • 6 Std • 1079 m Aufstieg • 459 m Abstieg

Man sagt Tag 3 und Tag 4 bei Wanderreisen seien besonders hart, der Körper muss verstehen, dass es uns ernst ist. Da hören sich doch 20 Km nach reiner Erholung an, oder? So war tatsächlich unser Gedanke. Wir sind es eher entspannt angegangen, wohl wissend was uns am nächsten Tag wieder bevor steht.

Heute hat das Wetter gehalten, die perfekte Temperatur für den ersten langen Aufstieg direkt ab Forbach. Wir kurbeln uns langsam in die Höhe, das Wetter wird rauer, vor allem in Bezug auf den Wind, der pustet gerne ordentlich am Hauptkamm.

Erstes Highlight gleich der Blick auf die Schwarzenbachtalsperre. Hier machen wir eine Apfel Pause. Die nächsten Höhenmeter führen uns auf den ersten 1000er des Nordschwarzwaldes, den Seekopf.

An der Badener Höhe machen wir Rast und lauschen dem vertraut wirkenden Gezeter eines alten Ehepaares. Der struggle wer an diesem Tag schon mehr Schritte gemacht hat ist real, und ihre kamen schon durch die Hausarbeit zu Stande, während er einen Spaziergang machte. Grund genug meinem Mann nochmal zu sagen, wie gut es war, dass ich die “kein Gezicke” Regel für die Wanderungen aufgestellt habe, keiner braucht ein unausstehliches Gegenüber oder Selbst, wenn man sich solchen Herausforderungen stellt.

Das nächste Highlight ist der erste Grindengipfel, der Hochkopf. Es ist eine Heidelandschaft, die im bizarren Gegensatz zum tiefgrünen Nadelwald steht. Hier trifft man dann doch auf mehr Wanderer – und Schafe, die vermutlich auf Heidelbeeren stehen. Wir sehen die Umleitung für den Westweg aufgrund Forstarbeiten noch rechtzeitig und erreichen unsere Unterkunft zur großen Tanne. Nach ausgiebigem Dehnen und Duschen stehen dann Käsespätzle auf dem Programm. Und dann noch die Gedanken des Tages festhalten und gut ist. Morgen wird AWESOME!

Etappe 4 – Unterstmatt nach Alexanderschanze – 26.8.21

28,3 km • 8,5 Std • 761 m Aufstieg • 690 m Abstieg

Am Morgen fühlen wir uns eigentlich fit. Vor heute haben wir aufgrund der vielen Kilometer wieder Respekt. Das Wetter meint es sehr gut mit uns. Wir starten die Etappen immer gegen 9 Uhr, 7 Uhr aufstehen, Achillesfersen versorgen, einpacken, frühstücken, Rechnung begleichen. Heute starten wir auf dem staubfreien Wanderweg, hier waren wir schon mal. Ich sinniere darüber, dass er Staub frei ist, weil es wahrscheinlich einfach immer nass ist, gut für Allergiker.
Wir landen nach 200 Höhenmetern bei ordentlich Wind auf der Hornisgrinde, dem höchsten Berg im Nordschwarzwald. Der Wind pustet einem die Gedanken aus dem Kopf.
Die Etappe verspricht eine der aussichtsreichen zu sein, und das ist sie. Immer wieder begleiten uns Sichten auf die Rheinebene, wir erkennen Strasbourg. Und es ist doch einiges los auf diesem Gipfel. Wir hatten in den 3 Tagen schon vergessen, dass wir in den Ferien unterwegs sind. Beim Abstieg wird das wandernde Grüßen fast schon anstrengend, vor allem wenn nicht zurück gegrüßt wird. Wenn ich radel oder zu Fuß in der Natur unterwegs bin, grüße ich alles was sich bewegt, auch die grimmigste Aura – und Raupen, und Eichhörnchen. So ist das.

Des Ehemanns Schuhe zwicken heute, eine Blase an einem Zeh macht sich bemerkbar. Es wird auf Trail Running Schuhe umgestiegen. Und es geht weiter.

Der Mummelsee hat bei schönem Wetter und viel touristischem Verkehr nichts mystisches. Wir versuchen die Touri Ecken jeweils schnell hinter uns zu lassen. Der Aufstieg zur Darmstädter Hütte verläuft teilweise parallel zum Skilift. Ich erinnere mich, was mich an meinem Snowboard Lernversuch immer so genervt hat. Am Lift hochlaufen. Aber so sammeln wir schnell Höhenmeter und entscheiden uns für eine Rast an der Hütte. Ich liebe Kuchen, und erst recht nach körperlicher Anstrengung. Wir treffen wieder auf einen Weggefährten aus Herrenberg. Er erzählte uns gestern, dass er die erste Etappe erst um 14 Uhr gestartet hat und wegen dem Regen fast aufgegeben hätte. Morgen hat er 34 km vor sich… wir werden dieses Stück in 2 Etappen laufen.

Wir gehen die nächsten 10 km zügig und legen vor den letzten 8 km noch eine Pause auf einer Himmelsstürmer Liege ein. Die letzten 5 km sind die Tage immer gleich bescheiden. Wir haben die Theorie, dass egal ob 20 oder 30 km – bei den letzten 5 km fangen die Füße an zu rebellieren.

Es ist schon verrückt. Mobilität heute ist voll auf Effizienz ausgelegt, wie komme ich am schnellsten von A nach B, hätten wir einfach mega viel Zeit wäre gehen doch immer eine geschickte Option (stelle mir gerade vor 6 Stunden in die Arbeit zu laufen – und 6 Stunden zurück). Und dann bin ich auch noch bequem, mal kurz zum Supermarkt fahren statt 20 Minuten zu laufen. Ich nehme mir vor auch zu Hause wieder mehr im Alltag zu gehen.

Ich werde gefragt, wie es denn so nach 4 Tagen ist. Es geht erstaunlich gut. Menschen bereiten sich in der Regel doch etwas länger auf eine Fernwanderreise vor. Wir gehören ins Team “give it a try”.

Die letzten Kilometer waren heute – dank großer Waldmaschinen – eine mühsame Matschpartie. Und dann haben wir einfach Glück, ich rufe im Hotel Kniebishöhe an, weil ich unsicher bin, ob der Bus nach Kniebis wirklich fährt. Die Gastgeberin sagt, sie habe gerade noch Zeit, sie holt uns schnell. Ein weiterer Tag endet mit viel Gastfreundschaft hier im Schwarzwald. Ich bin dankbar – auch für das leckere hausgemachte Essen hier im Hotel.

Ich freue mich auf 2 Tage unter 20 Kilometern.

Etappe 5 – Hotel Kniebishöhe nach Hark – 27.8.21

17,1 km • 5 Std • 252 m Aufstieg • 522 m Abstieg

Weiter geht es im Wanderprogramm. Nach einem sehr leckeren Frühstück starten wir heute etwas später. Ich stelle die Tage übrigens fest, wie lecker Brot schmeckt. Das ist tatsächlich ein von mir nur noch wenig konsumiertes Nahrungsmittel, aufgrund Mangel meiner 20 üblichen Porridge Zutaten, bleibt mir nichts anderes übrig – ich erkenne, Brot bringt mich nicht um. Wir verpassen einen Teil des Westwegs, da das Hotel nicht an der Route liegt, verlaufen uns auch ein klitzekleines bisschen. Am Ende des Tages sind es dann doch wieder über 20 km.

Zuversichtlich tragen wir zu Beginn Laufschuhe, Phil stellt jedoch genau zur richtigen Zeit dank Regenradar fest, das wir gleich wieder dauerhaft begossen werden. Wir wechseln an der Hildahütte wieder auf Gore Tex Schuhwerk. Ich stelle fest, wir sind noch in Baden-Württemberg, an der Hütte hängt Kehrschaufel und Besen – auf zur KEHRWOCHE!
Dank Regen und hartnäckigem Nebel ist es heute wieder aussichtslos und dazu auch noch recht frisch. Ich freue mich jetzt schon auf die Feldbergetappe bei 3 Grad – im Sommer.

Phil kämpft mit einer Druckstelle, Spaß am Laufen findet er heute nicht so richtig. Die Sprenkleranlage von oben ignorieren wir irgendwann. Wir nutzen die Schutzhütten für Pausen und gehen es langsam an. Es sind auch kaum Menschen auf den Wegen unterwegs, die meisten muss man bei so einem Wetter auch vor die Tür jagen.

Irgendwann erreichen wir dann den Harkhof, freuen uns über das schöne Zimmer, und dass die Sonne sich noch kurz zeigt. Der Hof ist seit 1973 in Familienbesitz, eigene Brennerei und Schlachterei ist hier Programm. Der Hof liegt direkt am Westweg, man empfängt uns wieder sehr freundlich und das Angebot mit dem Trockenraum nehmen wir gerne an.

Wir essen leckeres Hausgemachtes in der Vesperstube und lassen den Tag mit Füße hochlegen ausklingen.

Morgen wollen wir die kurze Etappe früh starten, wir brauchen Blasenpflaster Nachschub und es gibt Aussicht auf eine Apotheke in Hausach.

Etappe 6 – Harkhof nach Hausen – 27.8.21

15,5 km • 6,5 Std • 358 m Aufstieg • 826 m Abstieg

Wir schlafen gut in unserem gemütlichen Zimmer auf dem Harkhof. Im renovierten Frühstücksraum beobachten wir durch die große Fensterfront das Wetter – Nebel und Nieselregen. Die heutige Etappe nennen wir Pausentag, 15 km scheint keine Distanz mehr. Wir starten wieder gegen 9 Uhr, wir wollen in Hausach noch zur Apotheke (wir sind ohne Mobilat unterwegs und das fühlt sich nicht gut an). Fakt ist, der Westweg führt nicht häufig an Einkaufsmöglichkeiten vorbei, manche Orte sind ausgestorben, eine gute Reiseapotheke ist also wichtig.

Wir verbringen die erste Stunde mit Kleidungswechselei – doch zu warm – doch kein Regen. Wir reden heute nicht viel, jeder hängt seinen Gedanken nach. Der Ehemann führt wahrscheinlich einen Dialog mit seiner Blase am Zeh oder der Druckstelle am Spann.



Mich beschäftigt beim Gehen lange der so beliebte Satz „Machen ist wie wollen. Nur krasser!“. In den letzten 2 Jahren taucht er immer wieder mal im beruflichen Kontext auf, gerne mit „einfach mal machen“. Ich reflektiere mein eigenes Maß an Veränderungsmotivation, mein „Wollen“, welches mich immer wieder zum „Machen“ bringt – mal spontan, mal überlegt. Man muss zuerst wollen, dann kommt das Machen. Für mich wird so ein Schuh draus – dann wird’s krass.

Schritt für Schritt geht es voran bis wir die Hohenlochenhütte erreichen. Die Hütte wurde bereits 1923 eingeweiht . Es gibt eine Übernachtungsmöglichkeit und eine tolle Aussicht.

Unser Weg führt vorbei am Gasthaus Käppelehof und der dort 1738 errichteten Wendelinuskapelle.

Vom Käppelehof geht es über den Spitzfelsen hinab ins Kinzigtal. Wir verweilen kurz am Gipfelkreuz und genießen die Aussicht. Ich muss natürlich Bilder machen. Ich sage Phil, dass es gut ist, dass ich auf die Kamera verzichtet habe, wir würden sonst doppelt so lange unterwegs sein. Auf dieser Reise muss die Smartphone Kamera für das Festhalten der Erinnerungen herhalten.

Das Bergabgehen auf dem letzten Stück hat uns Kraft und Laune geraubt. Als Kinder wollten wir nicht den Berg rauf, als Erwachsene scheuen wir den Abstieg.

Nach 20 Minuten erreichen wir das Hotel Blume in Hausach. Ein weiteres Hotel mit Historie. Die Geschichte des Hauses beginnt im Jahr 1870 mit dem Bau der Schwarzwaldbahn. Die Gleis- und Tunnelarbeiter wurden damals aus großen Kesseln im Hof verköstigt. Da es im Bahnhof lange Zeit keine Aufenthaltsräume gab, saß man im Gasthaus zur Blume bei einem Bier und dem mitgebrachten Vesper zusammen. Man spürt hier den Stolz auf Tradition. Wir checken ein, freuen uns wieder über ein gemütliches Hotelzimmer. Und wir ziehen nochmal los – für Mobilat, Blasenpflaster und 2 Kugeln Eis.

Das Abendessen im Hotel war lecker (großes Lob, es gibt auch außer Käsespätzle Vegetarisches). Wir liegen jetzt satt im Bett, eine Session Yoga steht noch aus. Morgen wird hart, es folgt die höhenmeterreichste Etappe.

Etappe 7 – Hausach nach Wilhelmshöhe – 28.8.21

21,3 km • 7,5 Std • 1214 m Aufstieg • 468 m Abstieg

Wir sind heute früh beim Frühstück, aber nicht früher auf dem Weg. Der Ehemann hat sich heute wie ein echter Dipl. Ing. aus diversen Druckstellen Materialien Entlastung für den Zeh und den Spann gebaut. Ich hätte mal ein Foto machen sollen. Wir haben ein wenig Sorge, dass die Füße unserem Vorhaben, das echt am Stück durchzuziehen, einen Strich durch die Rechnung machen. Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass wir noch nie so eine Mehrtageswanderung gemacht haben?

Wir marschieren los, Fotos am Portal in Hausach dürfen natürlich nicht fehlen. Hausach ist ein furchtbar lauter aber schöner Ort. Wir sind nach der Stille des Nebels und des Waldes der letzten Tage den Lärm von Autoverkehr nicht mehr gewohnt. In der schmalen Hauptstraße hallen die Motorengeräusche zwischen den Fassaden der Häuser um die Wette. The future of mobility is electric. Ich denke an das große Werbeplakat an der Straße, es soll Deutschlands modernster Rewe Markt entstehen, als Anwohner würde mich das zum Protest bringen. Nicht die vielen Windräder, die für mich mittlerweile ein Must Have des Westwegs sind.

Alle Anstiege sind heute einfach nur sehr steil. Alpenniveau. Ich spüre heute die Last des Rucksacks in den Oberschenkeln, es geht nur in kleinen Schritten voran. Der Burg Husen schenken wir keine Aufmerksamkeit, unser Ziel ist es, den ersten Anstieg hinter uns zu bringen, so lange das Wetter hält.

An der Hasemann Hütte am Farrenkopf machen wir eine kurze Rast um Auszudampfen. Es fängt natürlich an zu regnen. Die Schutzhütte bietet auch eine Wasserquelle. Wir treffen auf einen älteren Mountainbiker, der einen Teil des Westwegs vorgenommen hat. Wir plaudern über den Schwarzwald Tourismus und wünschen ihm eine sichere Abfahrt, die Strecke hatte echten Enduro Charakter. Wir treffen auch auf 2 Herren aus der Stuttgarter Gegend, wohl Freunde, die immer wieder eine Etappe des Westwegs gemeinsam gehen. Auch eine schöne Tradition. Unsere Wege kreuzen sich noch ein paar wenige Mal. Am Ende sehen wir sie noch an der Bushaltestelle an der Wilhelmshöhe, man winkt sich noch einmal freundlich zu.

Meistens sind auch heute alle Aussichten nebelverhangen. Es hat alles ein wenig was von Wandern im Herbst. Die Temperatur auch. Der Regen stört uns eigentlich nur beim bergauf. Das wasserdichte Material macht dann sozusagen einen Saunaaufguss zwischen den Membranen – also Wellness pur.

Wenn sich der Nebel lichtet bemerken wir, dass sich die Landschaft verändert hat. Der Südschwarzwald hat was von Alpenvorland, die Waldwege sind Blumen reicher gesäumt.

Durch den Regen riecht es sehr intensiv in den Waldpassagen, nach feuchtem Brennholz, nach Erde, nach Nadelhölzern. Und ab und an ganz intensiv nach Pilzen. Ich esse keine Pilze, liebte aber das Pilze sammeln mit den Eltern im Schwarzwald. Vielleicht habe ich eine Trüffelnase? Ich denke kurz darüber nach, ob man den Duft wohl rekonstruieren kann, und muss dann aber schnell an billige Klosprays in der Version “Waldsymphonie” denken und verwerfe die Idee wieder.

Wir landen heute müde bei großer Gastlichkeit im Gasthaus Wilhelmshöhe. Ein weiteres traditionsreiches Familienunternehmen, mit Liebe geführt. Es macht uns Freude, jeden Tag woanders zu schlafen, die Geschichten der Gasthöfe zu lesen, und auf diese Weise zu erfahren, was Tradition heißt.

Heute fallen wir ins Käsespätzle Koma. Und ich werde wieder von einer Schwarzwälder Kirsch Torte träumen…

Etappe 8 – Wilhelmshöhe nach Kalte Herberge – 29.8.21

Der Tag verspricht laut Wetterbericht – bis auf eine Stunde – Dauerregen. Mit dieser Aussicht fällt uns das Aufstehen und Losmachen heute besonders schwer. Am ersten Tag gab es wenigstens zwischendurch trockene Momente. Irgendwann raffen wir uns auf – erst stretchen, dann frühstücken. Die Gastgeberin macht uns sogar noch extra hart gekochte Eier.

Bevor wir loslaufen mache ich noch Bilder von netten Dekorationen in der Wilhelmshöhe, auch die Fotos im Portal aus Findlingen bleiben nicht aus.

Mit geht eine ganze Zeit noch der freundliche Wirt aus der Wilhelmshöhe durch den Kopf. Körperlich sicherlich schon betagt und mit Beschwerlichkeiten kümmert er sich um die Hausgäste. Es zeigt mir: Wir brauchen Aufgaben, die uns erfüllen, die Sinnhaftigkeit unseres Tuns trägt uns durch die Widrigkeiten, die das Leben manchmal bringt.

Wir laufen also den ganzen Tag, bis auf 30 Minuten, im Regen. Das macht auch das Gore Tex Material irgendwann nicht mehr richtig mit. Mein rechter Schuh ist nach einer halben Stunde an der Spitze durchnässt. Die Routenbeschreibung sagt, dass an “besonders klaren Tagen präsentiert sich sogar der nahezu gesamte Westalpenkamm von der Zugspitze bis zum Mont Blanc.” Aber die Aussicht ist heute durchgehend so richtig gleich null.

Mir geht das dauerhafte Tragen der Regenkapuze auf die Nerven, es ist als ob meine Gedanken in der Kapuze stecken bleiben, wie eine Zwangsjacke, ich höre nur mein Kapuzenkopfuniversum. Wir müssen sehr laut und deutlich miteinander reden, daher reden wir wenig und stecken die Energie in Fuß sind Bein.

Wenn es regnet hört man fast keine Vögel. Man hört das Prasseln des Regens, manchmal schwere dumpfe Tropfen, die sich in den Blättern über meinem Kopf sammeln und nur darauf warten sich hinabzustürzen, sobald ich darunter durch laufe.

Die Vögel – deren Gefieder ist eigentlich wie Gore Tex – einmal vollgesogen hindert es sie am Fliegen, so verstecken sie sich unter dichtem Blätterwerk und warten. Da sich auch die Insekten bei Regen verkriechen gibt es nichts Besseres für sie zu tun.

Ich schalte irgendwann meinen Tunnelmodus ein, wir müssen da jetzt durch und am besten mit maximalen Fokus. Wir gehen schnell, hat was von Nordic Walking. 

Der Blindensee und das Hochmoor sind ein schöner Ort, ich denke mir wie gut es ist, dass das Wetter so schlecht ist. Es wäre überlaufen und wir würden doppelt so lange brauchen. Die vielen Liegen laden bei schönem Wetter zum Entspannen ein.

Der Weg führt heute häufig entlang Asphalt, wir sind dem Wetter somit voll ausgesetzt und stellen fest, Regen mit Wind ist noch schlimmer als nur Regen. 

Als wir in ein dunkles Waldstück eintauchen schreit das Moos nach Aufmerksamkeit – im Schatten der dunklen Nadelbäume leuchtet es regelrecht im grellstem grün, als hätte jemand in der Bildbearbeitung die Sättigung auf 200% geschraubt. Es gleicht sich für mich so alles aus – wenn die Aussicht in den Hintergrund rückt bekommen andere ihre Bühne am heutigen Tag – die Natur regelt sich selbst – unsere Aufgabe ist, ihr mit all unseren Sinnen zu begegnen.

Wir verpassen den Besuch der Donauquelle an der Martinskapelle und verlaufen uns am Günterfelsen. Hier gibt es viele kleine Pfade und wir verlieren die Kennzeichnung des Westwegs. Dank Navi kämpfen wir uns durch einen schmalen steinigen Pfad nach oben. Ich frage Phil, ob er sicher ist, dass wir nicht gerade durch ein Bachbett laufen, Wasser fließt uns fröhlich entgegen.

Wir stoßen wieder auf den Westweg lassen die Gelegenheit im Naturfreundehaus Brend einzukehren links liegen. Wir haben Sorge, dass das Gefühl nach dem Aufwärmen in die nasse Regenjacke zu schlüpfen noch weitaus schlimmer ist als der aktuelle Zustand.

Irgendwann finden wir endlich einen Unterstand. 2 ältere Herren pausieren hier auch vor der Dauerberegnung. Die Flasche Rotwein ist bereits leer, wie voll sie war lässt sich nicht mehr sagen. Die 2 sind wohl alte Freunde, den Westweg schon mehrfach gemeinsam gegangen. Sie nehmen das Wetter mit Humor. Ich habe größten Respekt, wir starten ca. 15 Minuten nach ihnen und holen die 2 erst an der Kalten Herberge wieder ein. Sie sind trotz Alkoholpegel flott unterwegs.

Die feuchte Regenjacke wieder anzuziehen ist ein widerliches Gefühl, die Ärmel kleben an der Haut, innen sammelt sich schweißige Feuchtigkeit. Meine Hände sind kalt, bis zum Schluss ziehen wir das Tempo an, damit wir nicht auskühlen. Das führt dazu, dass wir schon um 15 Uhr am Gasthaus Kalte Herberge ankommen und das Grund genug ist, heute noch Kaffee und Kuchen zwischen das Abendessen zu schieben. Der Zwetschgenkuchen war hervorragend!

Wir sind 110 km vom Ziel entfernt, es scheint weiterhin machbar. Das fühlt sich gut an. Aber klar ist, das war die letzte einfache Etappe. Jetzt wird es zum letzten Drittel nochmal richtig hart. 

Etappe 9 – Kalte Herberge nach Hinterzarten 30.9.21

26,1 km • 7,5 Std • 525 m Aufstieg • 614 m Abstieg

Leute, was ist das denn für ein Sommer. Es ist unwirklich, dass wir seit wir gestartet sind erst einen trockenen Tag hatten. Sogar die Nadelbäume lassen regenschwer die Äste hängen beim Anblick des Wetters. Es regnet, und das führt heute auch dazu, das der Eintrag zur heutigen Etappe kurz wird.

Von der Kalten Herberge folgt der Westweg der östlichen Seite der B 500, erst oberhalb dann unterhalb der Straße. Daran gibt es nichts wildromantisches eher viel Asphalt und Verkehrslärm. Vielleicht wäre es besser erträglich, wenn sich die Aussichten einstellen würden. Aber man sieht einfach überhaupt nichts. Kennt ihr das, wenn man bei Nebel Schneeblind wird? So ähnlich ging es uns heute über Stunden hinweg. Der Waldboden ist mittlerweile völlig durchweicht, die Schuhe machen schmatzende Geräusche bei Bodenkontakt.


Das steile Stück von Titisee nach Hinterzarten raubt uns nochmal Kraft, der Ehemann gibt Gas, er hat vom Regen so richtig genug. Mir schmerzen die Füße sehr, die berühmten letzten Kilometer, und arbeite mich mit kleinen Schritten voran. Als Hinterzarten zu sehen ist, sind wir beide wieder gelassener und freuen uns bald anzukommen. Unser Hotel für diese Nacht ist ein besonderer Ort, das Hotel am Bach, ein Boutique Hotel, sehr geschmackvoll eingerichtet und dekoriert. Die Gastgeberin nimmt sich viel Zeit für uns. Es ist einfach wunderschön hier.

Wir gönnen uns Pizza im Ristorante Leonardo da Vinci – sehr zu empfehlen.
Wir überlegen wie wir mit dem Streik der GDL umgehen sollen, wir müssen mit dem Zug von Basel wieder nach Pforzheim kommen, und wir glauben an besseres Wetter und daran, dass wir den Westweg bis ans Ende gehen.

Etappe 10 – Hinterzarten nach Wiedener Eck

26,6 km • 8,5 Std • 765 m Aufstieg • 628 m Abstieg

Der Tag startet mit einem sehr feinen Frühstück im Hotel am Bach. Frau Rösch macht Aufstriche, Marmeladen und Kompott mit viel Feinsinn. Eine kleine sehr feine Auswahl. Und deswegen lassen wir uns heute auch mehr Zeit beim Frühstück, man muss Dingen die mit Liebe und Zeit gemacht wurden wertschätzen, indem man sie mit allen Sinnen genießt. Ich denke wir kommen wieder in diese kleine Oase, in dieses Wohnzimmer, das wir am liebsten einfach so mit nach Hause nehmen würde.

Heute wird es spannend. Wir erklimmen den Feldberg. Es geht eigentlich bis zum Gipfel stetig bergauf. Auf wunderschönen Pfaden, mit Wurzeln und Steinen und Bohlen. Und heute gibt es sogar immer wieder ein wenig Aussicht. Das hebt die Laune enorm, wir sind entspannter und plaudern fröhlich beim Aufstieg.

Es ist wenig los, auch auf dem Gipfel ist es keineswegs überlaufen, bei ca. 7 Grad auch nicht verwunderlich. Ich werde ein bisschen emotional als wir den Gipfel erreichen, weil mir bewusst wird, dass wir vor 10 Tage 20 km von zu Hause losgelaufen sind und heute einfach am Feldberg stehen. Es scheint ein wenig unwirklich. Ich bin sehr stolz auf unsere Gehleistung und unseren Zusammenhalt während der regnerischen Tage.

Das Wetter und fehlende Aussicht lädt heute nicht zum Verweilen ein.

Die Aussichtsinsel am 1.495 Meter hohen Feldberg markiert den höchsten Punkt Deutschlands außerhalb der Alpen. Dement- sprechend fulminant wäre bei gutem Wetter der Panoramablick: Im Norden und Osten verlieren sich die Schwarzwaldhöhen am Horizont, im Westen die Vogesen, das breit gelagerte Alpenpanorama im Süden.
Als schmaler Pfad mit hohen Stufen steigt der Westweg zur St. Wilhelmer Hütte ab, von der er dem verbindenden Bergrücken bis zum Belchen folgt.


Hinter der Passhöhe Notschrei steigt der Weg noch einmal an, umrundet den Trubelsmattkopf und erreicht über freie Wiesenhänge das Wiedener Eck. Wir genießen jeden Sonnenstrahl! Die Landschaft ist wunderschön. Wie immer sind die letzten 5 Kilometer besonders zäh. Wir lassen uns Zeit. Machen nochmal Pause. Ich ziehe die Schuhe aus, knete sie durch. Die 2 haben sich in 2 Tagen wirklich eine Pause und eine Thai Fussmassage verdient!

Wir erreichen das Hotel Wiedener Eck. Wie immer Yoga first, und dann genießen wir feinste Küche und Wein.

Ich bin auf einem mentalen Hoch, das Geschaffte gibt mir Augenblicke von „Du kannst alles schaffen, wenn du es willst.“. Es ist ein anderes Gefühl als ein Klettersteig mit Nervenkitzel oder eine schwere MTB Abfahrt, es sind die vielen langen Etappen, das schlechte Wetter, das hinter uns liegt, die mir dieses überhebliche Gefühl geben. Ich bin gespannt, ob dieses Gefühl abrufbar bleibt.

Morgen steht uns die längste Etappe mit 32 km bevor.

Etappe 11 – Wiedener Eck nach Kandern

32,2 km • 8 Std • 872 m Aufstieg • 1563 m Abstieg

Heute steht die Etappe an, vor der wir am meisten Respekt haben, die Länge und die Tiefenmeter werden heute die Füße und Knie zum Schreien bringen, da sind wir uns sicher.

Um 9 Uhr starten wir, wir wollen spätestens um 19 Uhr in Kandern sein. Vom Wiedener Eck verläuft der Westweg auf schmalen Pfaden. Der BELCHENSTEIG, ein steiler, steiniger und alpiner Steig führt uns durch den Bergwald hinauf, bis die kahle Gipfelkuppe erreicht ist. Vom Waldrand kann man einen Abstecher direkt auf den Gipfel (1.414m) machen, wir haben uns heute dagegen entschieden. Die Aussicht war auch so fantastisch!

Der gesamte südlichen Schwarzwald liegt vor uns, die Alpen sind in einer Silhouette erkennbar.
Beim Abstieg schweift mein Blick immer wieder über die Landschaft, was für eine Wohltat nach den vielen Tagen im Regen und Nebel. Das entschädigt alles.

Und wir begegnen sogar dem Badischen Riesenregenwurm, dieser hat im Ruhezustand eine Länge von 30 bis 34 cm, ausgestreckt bis zu 60 cm. Die Tiere haben einen Durchmesser von 12 bis 16 mm. Ein riesiger Regenwurm halt. Die Art wurde 1906 erstmals wissenschaftlich beschrieben und bewohnt ein kleines Areal im Südschwarzwald, in Höhenlagen zwischen 300 und 1400 m über dem Meeresspiegel. (Quelle: Wikipedia)

Im felsigen Steilhang der Hohen Kelch wird der Weg nochmal anspruchsvoller. Ein paar Geländer helfen über exponierte Stellen hinweg. Es folgt ein erholsames Stück auf stillen Waldpfaden, immer wieder glitzert die Sonne durch die Baumspitzen, es hat etwas magisches. Dann führt der Weg durch die steile Nordflanke hinauf zum eisernen Blauenturm (1.165m).

Am Berghaus Hochblauen kehren wir ein. Wir sind hungrig und es warten noch knapp 10 Kilometer Wegstrecke auf uns. Von der Dachterrasse genießen wir die Aussicht in die Rheinebene. Mir wird bewusst, dass wir morgen im Basel ankommen werden, wenn mir nicht doch noch ein Fuß abfällt.

Und jetzt folgt ein langes zähes bergab! Der Weg ist abwechslungsreich und macht das marschieren ein klein wenig kurzweiliger.
Nach 8 Stunden Gehzeit plus Pausen sind wir kurz vor 18 Uhr am Hotel Weserei. Wir gehen noch auf Essenssuche und hoffen jetzt, dass unsere Füße uns morgen noch 25 Kilometer tragen werden.

Etappe 12 -Kandern nach Basel – 02.09.21

26,2 km • 7,5 Std • 459 m Aufstieg • 552 m Abstieg

Es scheint unwirklich, aber heute steht wirklich die letzte Etappe unserer spontanen Fernwanderung an. Unsere Körper scheinen das auch zu realisieren und üben Rebellion, es zieht und zwickt in den Füßen und Waden. Wir nutzen die Gelegenheit im Hotel heute früher zu frühstücken, das Wetter ist wunderbar, unsere Zugverbindung um 17:14 Uhr ab Basel Badischer Bahnhof steht trotz GDL Streik. Wir wollen die letzte Wegstrecke heute genussvoll verbringen und uns nicht hetzen müssen.

Schon beim gestrigen Abstieg nach Kandern machte sich Abschiedsstimmung vom Schwarzwald breit. Die Laubbäume übernahmen nach und nach die Kontrolle.

Wir machen noch einen Abstecher in der Bäckerei Städtlebeck mit griechischem Flair und sehr feinem griechischen Kaffeegebäck.

Wir wurden auf unserer Wanderung häufig von Einheimischen angesprochen, ob wir auf dem Westweg seien, der große Rucksack verrät die Mehrtageswanderer. So auch in Kandern – ein netter Herr schwärmt von der Wolfsschlucht, erzählt uns, dass sein Sohn dort nachts joggt, und empfiehlt uns unbedingt den Abstecher zum Brudersloch zu machen.

Das erste Highlight der Etappe ist in der Tat die Wolfsschlucht.

Durch enge Felsdurchlässe und steile
Hänge führen schmale Wege unter Buchendächern aufwärts, auch mal abwärts bis nach Hammerstein. Betrachtet man den Wald von außen, ist es schwer vorstellbar, dass darin eine mystische Schlucht versteckt liegt.

Wir folgen dem Schild zum Brudersloch, und finden eine gesicherte Kletterstelle im Fels, die ich natürlich direkt hochkraxeln muss. Um diese Höhle rankt sich eine alte Sage. In der Bannbeschreibung von 1688 wird die Höhle als Wohnort eines Einsiedlermönchs beschrieben. Er soll sich von Fisch aus der Kander, welche vor der Höhle vorbeifließt, ernährt haben. Der heutige Flussverlauf lässt darauf schließen, dass die Legende des Einsiedlermönchs sehr lange zurückliegt, da die Höhle heute weit oberhalb des Flussverlaufs thront. (Quelle: Wikipedia)

Wir haben uns ehrlich nicht getraut in die Höhle zu gehen, die Spinnweben hingen sehr tief :).

Nach der Wolfsschlucht endet das letzte bisschen Schwarzwaldfeeling.

Erste Weinberge begleiten uns über Egerten bis zur Baselblick-Hütte oberhalb von Wollbach.
Wir gehen über Wirtschaftswege, teilweise asphaltiert und können es fast nicht glauben, den ersten Blick auf Basel zu werfen. Ich erwähnte, dass dies unsere erste Fernwanderreise ist, aber dieses Gefühl ein so weit entferntes Ziel plötzlich so nah vor sich zu haben, ist unbeschreiblich. Ich versuche diesen Moment zu konservieren.

Der Weg steuert auf dem Flachslandweg die mächtig über Lörrach stehende Burgruine Rötteln an. Die Burg, die nach dem Baseler Erdbeben 1356 in ihrer heutigen Größe aufgebaut wurde, ist eine der größten Burganlagen Südbadens. Wir machen dort Mittagspause auf einer Bank und hier treffe ich auch auf die einzige Zecke, die auf meiner Hose einen Weg zur Haut sucht. Durch den Dauerregen waren wir von Zecken verschont, aber nach dem Regen werden die Biester umso aktiver, sind ja schließlich regelrecht ausgehungert. An der Burg findet sich auch das letzte Westweg Portal für Lörrach.

Wir wandern am Waldrand bis zur Tüllinger Höhe entlang, es öffnen sich ständig neue Ausblicke auf das Wiesental, den Dinkelberg und die Stadt Lörrach.
Von der Terrasse der Ottilien-Kirche von Obertüllingen hat man einen herrlichen Blick nach Basel. Wir steigen die letzen Stufen hinab, sind plötzlich in der Schweiz.
Durch die Schweizer Weinberge erreichen wir das Flüsschen Wiese. Meine Füße schreien nach Pause, wir nutzen das tolle Wetter, setzen uns ans Wiese Ufer und lassen die Füße im kühlen Wasser abschwellen.
Seltsam, welche Gelassenheit plötzlich einkehrt, wenn das Wetter gut ist, wenn man weiß, dass man das Ziel auf jeden Fall rechtzeitig erreichen wird, wenn Zufriedenheit die Unsicherheit vertreibt.

Der Wiesedamm leitet durch die Langen Erlen bis zum Tierpark, kurzes Wilhelma Feeling. Ich stelle mir vor, ich gehe hier jetzt durch ein Portal und werde in die Stuttgarter Wilhelma gebeamt. Ob ich sowas noch erleben werde? Nach dem Tierpark sind es nur noch wenige Minuten bis wir tatsächlich vor dem Bahnhof in Basel stehen.

Vieles hat sich hier verändert. Der Syngenta Turm, der mich immer für meine Zeit in Basel willkommen hieß, wurde schon lange zurück gebaut, der Bahnhof ist aufgrund des Streiks regelrecht verlassen. Wir versorgen uns im COOP mit Getränken und Snacks und jeder für sich nutzt die Wartezeit auf den Zug zu realisieren, dass wir 12 Tagen einmal durch den Schwarzwald gegangen sind. In nur 2 1/2 Stunden Zugfahrt landen wir in Pforzheim am Bahnhof. Vater wartet schon am Bahnhof, ich freue mich sehr ihn zu sehen. Er freut sich sehr für uns, dass wir ein so schönes Abenteuer unternommen haben.

Fazit

Wir haben in den 12 Tagen insgesamt 306 Kilometer und 8600 Höhenmeter hinter uns gelassen. Die Entscheidung die Hotels vorab zu buchen, war für uns die richtige Option. Wir hätten uns während der Reise nicht noch mit Telefonaten zur Suche von Übernachtungsmöglichkeiten rumschlagen wollen. Schlechtes Wetter zehrt an einem, wenn man ca. 9 Stunden am Tag draußen ist. Die Regel „kein Gezicke“ hilft, denn wenn du nicht alleine unterwegs bist, macht es die Situation der anderen nicht besser, wenn du deine schlechte Laune auf jedem Zentimeter Weg freien Lauf lässt. Die negative Energie in einen energischen Marsch umzuwandeln hat uns geholfen – auch um schneller im Trockenen zu sein. Das Wetter ist zweitrangig, bei dieser Wanderung ist der Weg das Ziel, viel Strecke sieht immer gleich aus, Nadelbäume rechts und links, aber die Wege selbst sind abwechslungsreich. Der Westweg ist kein Pilgerweg mit viel Publikum, man ist sehr häufig ganz alleine für sich. Verpflegung für die Strecke ist ein Muss, da es nicht immer Möglichkeiten zum Einkehren gibt. Wir konnten uns in jeder Unterkunft ein Lunch Paket gegen Aufpreis zubereiten oder bestellen. Alle Gastgeber waren auf verdreckte nasse Wanderer eingestellt. Ach ja, und Wanderschuhe sind nicht nach 20 Kilometern eingelaufen … bei solch einer Tour sollte man seine bequemsten Wanderschuhe tragen und auf jeden Fall ein 2. Paar Schuhe mitführen (wir hatten noch Trail bzw. Laufschuhe dabei).

Nach 12 Tagen in Stille versuchen wir uns noch an den Lärm unserer Umwelt zu gewöhnen, jedes Geräusch dröhnt wie ein Brüllen. Ja, wir haben die erhoffte Ruhe gefunden, den Fokus auf die Natur, auch den Blick nach innen. Wir sind angefixt vom Fernwanderfieber, und suchen bereits nach der nächsten Route.

Die Routen auf der offiziellen Westwegseite stimmen nicht immer 100%, die rote Raute führte uns allerdings immer sicher ans Ziel (bis auf ganz wenige Male).

Hotels

Hier noch die Zusammenfassung der Unterkünfte mit Verlinkung, alle sind ausnahmslos empfehlenswert.

Equipment

Mein Blog ist werbefrei und soll das auch bleiben, trotzdem möchte ich euch hier Equipment Tipps geben… verlinke allerdings keine Artikel, sondern nenne nur die Artikelbezeichnung:

  • Leki Damen Micro Vario Carbon Wanderstöcke / super leicht und klein verstaubar
  • Berghaus Damen Regenhosen Paclite Pants wasserdichte Gore-tex-Hose / klein verstaubar, super wasserdicht, gutes Reißverschlusskonzept
  • Osprey Kyte 46 Trekkingrucksack / gute Aufteilung, 10L weniger würden auch reichen, gute Lüftung am Rücken
  • Isobaa Merino Shirts und Funktionsunterwäsche / tolle Qualität, schnelltrocknend

Vielleicht hilft dem ein oder anderen meine Packliste, ich war mit 2 L Wasser bei ca. 10 KG.

Packliste

  • Cap / Mütze
  • Wanderstöcke
  • Wander Hemd
  • Funktionsshirt Lang
  • Schlafbekleidung
  • Fleecejacke
  • Laufschuhe
  • Wanderschuhe
  • Funktionsshirts kurz / 3 Stück
  • Weste
  • Wander Hose, ggfls. 1 Ersatz
  • Rucksack Regenhülle
  • Wasserdichte Socken
  • Sonnenbrille
  • Stirnband
  • Funktionsunterhemd / 3 Stück
  • Regenjacke
  • Regenhose
  • Wandersocken / Kompressionssocken

Für Abends

  • Unterwäsche
  • Shirt
  • Jeans
  • Socken

Sonstiges

  • Kleines Microfaser Handtuch
  • Bargeld
  • Taschentücher 
  • Mülltüten 
  • Stirnlampe
  • Insekten Schutz
  • Zeckenzange
  • Trinkblase oder Wasserflasche
  • Taschenmesser (Leatherman)
  • Navigationsgerät / Karten
  • Kleine Reiseapotheke (1. Hilfe Set, Mobilat, Hirschtalg, Magnesium, Ibuprofen)
  • Blasenpflaster
  • Waschmittel kl. Tube
  • Reiserasierer
  • Duschgel kl. Tube
  • Shampoo kl. Tube
  • Bürste 
  • Zahnpasta kl. Tube
  • Zahnbürste 
  • Deo
  • Ladekabel + Akku
  • Riegel
  • EC Karte
  • Ausweis / Führerschein
  • Smartphone

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